Textile Kunst und Gesundheit

Quilt aus Kaffe Fasset Stoffen angefertigt von Beata Sievi

«Wenn das Leben dir Fetzen zuwirft – mache daraus einen Quilt»

Textile Gestaltungstechniken wie Pachwork, Quilten, Stickerei und Weberei haben eine lange Tradition. Dank den neuen technischen Entwicklungen und einem regen Austausch in digitalen Foren, erlebt die textile Kunst heutzutage eine sehr dynamische Entwicklung. Das Finden neuer Inspirationen und das Erlernen unterschiedlicher Praktiken ist für alle Interessierten, auch ohne eine langjährige Ausbildung oder weite Reisen, möglich geworden. Professionelle textile Künstler organisieren sich zudem in Berufsverbänden, die regelmässig zu Vorträgen, Werkshops und Ausstellungen einladen. Viele Einzelpersonen und Arbeitsgruppen verbinden textile Kunst auch mit altruistischen Zwecken, indem sie ihre Arbeiten an Menschen spenden, die traumatisiert wurden oder an körperlichen Erkrankungen leiden. Die Sinnlichkeit der Stoffe und das darin eingewobene Mitgefühl spendet den Betroffenen Trost und Geborgenheit.

Linus Projekt – eines der Quilts für krebskranke Kinder

Seit den 90-er Jahren wird insbesondere das Quilten immer häufiger auch in der Kunsttherapie verwendet. Als Quilt bzw. Stepparbeit bezeichnet man eine textile Arbeitstechnik, bei der zwei Flächen aus organischem Material, meist Gewebe, aber auch Filz oder Leder, mit oder ohne Einlage, durch Nähen oder Sticken aneinandergeheftet werden. Es gibt viele unterschiedliche Möglichkeiten, die Quilt Oberfläche zu gestalten und es kann sowohl von Hand als auch mit der Maschine genäht werden.

Quilting by hand – Shizuko Kuroha
Quilten mit Maschine – “Watercolor” Projekt von Beata Sievi

Auch wenn die wissenschaftliche Forschung zur Wirksamkeit der textilen Kunsttherapie noch am Anfang steht, gibt es bereits einige Studien, die nahelegen, dass das Quilten mehr zu leisten vermag als andere Formen der kreativen Beschäftigung und besonders gut zur Beibehaltung und Entfaltung von kognitiven, emotionalen und sozialen Kompetenzen beiträgt.

“The Beat Goes On”, Ricky Tims, Colorado, 2000

Das Wohlbefinden der Textilschaffenden wird nicht nur durch die Wirkung der Farben und Muster begünstigt. Das Realisieren komplexer Entwürfe, das sorgfältige Zusammensetzen einzelner Stoff-Elemente und das Bedienen der Quilt- oder Stickmaschinen stellen eine Herausforderung dar, die Konzentration erfordert und gleichzeitig den Abstand zu sorgenvollen Gedanken ermöglicht, wodurch sich bei vielen Quilt-Schaffenden das Erleben von Flow einstellt. Berichte über Quilt-Arbeiten von Menschen, die an Krebs, Multiple Sklerose, Depression oder Bipolarer Störung leiden, zeigen deutlich, wie die Auseinandersetzung mit den qualvollen Gefühlen und Empfindungen im Rahmen textiler Kunstarbeit helfen kann, Krankheiten oder Schicksalsschläge besser zu akzeptieren. «To make something beautiful out of something ugly» ist ein Leitgedanke vieler textilschaffenden Patienten. Und weil die Stepparbeit für sie genauso eine neue Herausforderung wie ihre Krankheit darstellt, wird sie zu einem neuen Verbündeten, der sie in eine neue Richtung führt. In den ersten Langzeit-Studien konnte nachgewiesen werden, dass Quilten sowohl eine Schmerz-Reduktion zu bewirken vermag als auch zur Wiedererlangung der Entscheidungsfähigkeit und der Kontrolle über das eigene Leben führt. Da die Betroffenen meist durch Arbeit einen Zugang zu Foren Gleichgesinnter finden, zu deren Gunsten sie sich dann engagieren, stärken sie ihre sozialen Netze und Erleben dadurch Sinnhaftigkeit und Hoffnung.

“Mobbing” - Fragment einer Arbeit von B.Sievi mit jungen Erwachsenen, 2021
“Mobbing” – Fragment einer kollaborativen Textilien Arbeit – Projekt von Beata Sievi, 2021

Inspiriert durch diese Forschungsergebnisse und durch die Ästhetik der Arbeiten international bekannter Textil-Künstler: innen habe ich in meiner Arbeit mit den psychisch beeinträchtigten jungen Erwachsenen einige der Techniken erproben und mich von ihrer Wirkung überzeugen können. Darüber berichte ich ausführlich in den folgenden Blogartikeln:

Weiterführende Literatur

  • «Quilt and health» – M.MacDowell, C.Luz, B.Donaldson, 2017 Indiana University Press
  • «Resilient Stich»- Claire Welleslay Smith, 2021 Batsford
  • “Healing Journey” – Lauren Kingsland