Global Problem Quilt Project

«Global Problem Quilt Project» – Projekt von Beata Sievi

Das politische Quilting ist heutzutage ein weit verbreitetes Medium, um sich für wichtige Themen oder Lösungen globaler Probleme einzusetzen. Zu den bekanntesten Textil-Künstlerinnen, die sich mit politischen Themen auseinandersetzen gehört Sara Trail, Gründerin der Social Justice Sewing Academy. Sie nutzt Quilting vor allem dazu, Rassismus und die Benachteiligung der schwarzen Bevölkerung in Amerika zu thematisieren.

Fragment des Quilts «Liberation 2018» entstanden in der Social Justice Sewing Academy

Das besondere an ihrer Arbeit ist, dass sie in ihre Projekte Menschen jeden Alters, ungeachtet ihrer Vorkenntnisse in textiler Arbeit, integriert. In vielen ihrer Projekte werden Kinder und Jugendliche aus den unterversorgten und marginalisierten Gesellschaftsschichten aufgefordert, die Probleme, die sie in ihrer nächsten Umgebung beobachten und als dringlich erachten, mit einer Zeichnung zu illustrieren und anschliessend in Textilien zu gestalten. Die wesentlichen Elemente des Entwurfs wurden aus verschiedenen Stoffen ausgeschnitten und miteinander kombiniert, wenn auch erst provisorisch. Wenn genügend Zeit für das Nähen von Hand oder mit der Nähmaschine zur Verfügung steht, führen die Projekt-Teilnehmenden die Applikations- und Stickarbeit unter der Anleitung von Workshopleiter:innen selbst aus. In den meisten Fällen werden jedoch diese anspruchsvollen Arbeiten unterstützend durch professionelle Quilter:innen ausgeführt. So können die Quilts schneller öffentlich ausgestellt, und damit früher auf brisante Themen aufmerksam machen.

Politisches Quilting
Fragment des Quilts «Liberation 2018» entstanden in der Social Justice Sewing Academy

Die Projekte von Sara Trail erstrecken sich gelegentlich über einen längeren Zeitraum, und es gehen ihnen Workshops mit Sozialarbeitern voraus, die das Bewusstsein für soziale Gerechtigkeit wecken und bei der Visualisierung von Ideen helfen. Als ich Sara in einer Zoom-Veranstaltung von SAQUA kennenlernte, war ich von ihrem Engagement und von den ausdrucksstarken Quilts, die unter ihrer Leitung entstanden sind, sehr beeindruckt. Es war mir sofort klar, dass ich etwas ähnliches in der Schweiz versuchen möchte.

Global Problem Quilt Project von Beata Sievi 2021

Anfänglich war ich zwar unsicher, ob Jugendliche in einem Wohlstandsland, wie das unsere, überhaupt auf die Themen der sozialen Gerechtigkeit ansprechen würden. Meine Aufgaben-Formulierung war deshalb etwas breiter gefasst: «Illustriere unter allen globalen Problemen eines, das dir als das Dringlichste erscheint oder ein Problem, für dessen Lösung Du dich selbst gern engagieren würdest.» Da ich beruflich mit vielen jungen Menschen, die nach einer beruflichen Orientierung suchen zu tun habe, verknüpfte ich die Frage nach der Lösung eines globalen Problems mit der Frage nach der persönlichen Berufung. Ich erklärte meinem jungen Publikum, dass bei der Berufsfindung nicht nur die «Ich-Perspektive», die nur eigene Interessen und Vorlieben berücksichtigt, hilfreich sein kann, sondern auch die Sicht der Gemeinschaft, die mit jedem Einzelnen rechnet, der seinen Beitrag zur Lösung dringender Probleme leistet. Aus dieser Überlegung kann man die Frage ableiten, wozu man im Leben berufen sein könnte.
Es war mir bewusst, dass diese Frage, die früher ganz selbstverständlich zur Charakterbildung gehörte, jedoch heute nur selten gestellt wird. Entsprechend überraschte mich nicht, dass mein Input, den ich einer Lektüre von David Brooks «Charakterstärke» verdanke, auf Stirnrunzeln und Schweigen stiess. Ich liess mich durch diese ersten Reaktionen nicht verunsichern. Nachdem ich Papier und Farbstifte für die Entwürfe verteilte, vertieften sich die meisten doch recht schnell in diese Aufgabe.

Bereits die Entwürfe überraschten mich in ihrer starken symbolischen Kraft und Vielfalt. Viele zeigten Sorge um die Erde angesichts der Klimaerwärmung und Umweltverschmutzung. Das Thema des sozialen Miteinanders wurde in Bildern von Mobbing und Ausgrenzung aufgrund der Hautfarbe oder sexueller Orientierung spürbar. In mehreren Zeichnungen wurde das leichtsinnige Konsumverhalten, sowie der verantwortungslose Umgang mit dem Abfall angeprangert. Und schliesslich wurde das Thema des psychischen Leides zum Ausdruck gebracht. Ob man sich beim Entwurf eher auf ein Problem oder die Darstellung der Lösung desselben fokussiert, überliess ich jedem Einzelnen. Ich war von dem Einfallsreichtum der jungen Künstler:innen durchaus überrascht.

Applikation und free motion stiching -Vorübung
Global Problem Quilt Project unter der Leitung von Beata Sievi 2021

Noch mehr überraschte mich, wie viele Jugendliche sich für die eigenständige textile Umsetzung der Entwürfe interessierten. Für die meisten war die Technik der Applikation und das Free motion stiching neu. Nach einer Einführung auf einem Übungsstück fanden viele echtes Interesse an den Möglichkeiten mit dem Faden und mit der Maschine auf dem Stoff zu zeichnen und ihre Entwürfe auf eine neue Art zur Geltung zu bringen.

Global Problem Quilt Project – Beitrag zum Thema Mobbing
Global Problem Quilt Project – Beitrag zum Thema Depression

Natürlich gab es auch Teilnehmende, die sich zwar anfänglich für die Aufgabe interessierten, doch bei der Umsetzung der teilweise komplexen gestalterischen Ideen auf viel Ermutigung und Unterstützung angewiesen waren. Ich verzichtete jedoch von Anfang an auf die Idee, professionelle Sticker:innen oder Quilter:innen zu engagieren. Da ich bei dem Projekt keinen Zeitdruck hatte, stellte ich den Jugendlichen gerne mein Fachwissen zur Verfügung und ich zeigte mich unerschüttert zuversichtlich betreffend ihres Lern- und Durchhaltevermögens. – Es war für viele eine wertvolle Erfahrung, die Stolz machte und mit einem Zuwachs an Selbstwirksamkeit verbunden war. Aber auch für das Endergebnis war die individuelle, auch wenn nicht perfekte, Gestaltung wichtig und sie verlieh dem Gesamtwerk – das von mir noch gequiltet werden muss – eine besondere Ausdruckkraft.

Global Problem Quilt Project – Beitrag zum Thema Smog

Sind Sie interessiert an den detaillierten Unterlagen zu diesem Projekt, oder möchten Sie mich mit der Durchführung in Ihrer Institution beauftragen, dann schreiben Sie mir eine Nachricht auf die Adresse: atelier@beatasievi.ch.

Über mein aller erstes Gruppen-Projekt im Quilter berichte ich in diesem Blog-Artikel:

«Jeder Anfang ist schwer – Jeans-Quilting in Progress»

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