In meinem neusten Projekt möchte ich das Stoffdesign noch stärker als bis anhin miteinbeziehen, um die kraftspendende und heilende Wirkung der Farben und Stoff-Muster auszuloten. Die Stoffe von Kaffe Fasset, einem berühmten amerikanischen Stoffdesigner und Quilter eigenen sich hervorragend, um Freude zu stiften und positive Zukunftsvisionen zu entfalten. Textilien scheinen ohnehin weit stärkere Kräfte und emotionellere Wirkung zu haben als andere Materialien. Die Haptik des Stoffes ist entscheidend für den Komfort, den wir im Kontakt mit dem Stoff erleben. Eine Kuscheldecke ist daher unabdingbar für ein Baby, das nicht selten eine besondere emotionelle Bindung zu diesem Objekt entwickelt. In der der Psychologie spricht man von einem «Übergangsobjekt», das einem Kleinkind hilft, allmählich unabhängiger zu werden. Das Phänomen wird vor allem in westlichen Ländern beobachtet, wo erwartet wird, dass sich Kinder zum Schlafen schon früh von ihren Eltern trennen.
Auch für en Erwachsenen, dem es an Umarmung fehlt, kann eine Quiltdecke zu einem bedeutenden Gegenstand werden. Ein Quilt zu schenken, bedeutet daher zu trösten und einen symbolischen Schutz und Sicherheit zu spenden. Mein Blumen-Quilt ist als ein Geschenk für meine Pflegemutter gedacht, die 91 ist und 2000 km entfernt von mir lebt. Aufgrund der schwindenden Kräfte musste sie vor kurzem ihren Garten aufgeben, was mich sehr betroffen machte und ich wählte deshalb einen Blumengarten als das Thema des Quilts.
Der zweite Aspekt, dem ich bei meinem neuen Projekt Aufmerksamkeit widmen möchte, ist die genauere Untersuchung des Arbeitsprozesses selbst und seiner Einflüsse auf das Wohlbefinden. In ihrem Artikel «Quilting with Intent and Purpose for Emotional Wellbeing» diskutiert Niki Keating, wie man beim Quilten emotionale Entspannung findet. Als professionelle Psychologin fand sie deutliche Parallelen zwischen den Phasen ihrer kreativen Stepparbeit und der Arbeit als Psychotherapeutin. Sie entwickelte daraufhin ein Verfahren, welches das Wohlbefinden und die positiven Emotionen beim Quilten fördern soll.
Keating macht unter anderem Vorschläge, wie man bestimmten Quilt-Aufgaben eine symbolische Bedeutung geben kann. So kann ein Arbeitsvorgang, in dem überschüssige Stoffteile Teile von den einzelnen Stoffblöcken abgeschnitten werden, symbolisch als für das Verwerfen von schwierigen Gedanken und Gefühlen stehen. Das «Bewusste Quilten» kann mit folgenden praxisnahen und einfach fragen angeleitet werden:
- Was sind im Moment die wichtigsten Emotionen in meinem Geist und Körper?
- Was geht in meinem Körper vor?
- Was brauche ich heute für mein emotionales Wohlbefinden?
- Welche Quilt-Aufgabe oder welches Ritual kann diese Bedürfnisse unterstützen?
Sie hält es zudem wichtig, nach dem Quilten bewusst zu prüfen, inwieweit die Strategie das Wohlbefinden beeinflusst hat.
Nach Michayi Csikszentmihalyi, dem Gründer der Flowtheorie, würde die Konzentration auf die Aufgabe selbst, sofern Komplexität und Schwierigkeitsgrad zu den Fähigkeiten einer Person passen, ausreichen, um sich von sorgenvollen Gedanken zu befreien. Bei einer Herausforderung, die absolut fesselnd ist, kann keine Aufmerksamkeit auf die Vergangenheit oder andere vorübergehend unwichtige Reize verwendet werden. Dies bestätigen auch die neuen neurobiologischen Untersuchungen; während des Flow-Zustandes bleiben sowohl der mediale präfrontale Kortex und die benachbarten Regionen, die für das Grübeln und selbstreferentielle Gedanken verantwortlich sind als auch der Mandelkern, der negative Affekte steuert, weitgehend deaktiviert.
Für mich sind es einerseits das Entwerfen, anderseits der korrekte Zuschnitt und Einhalten der im Entwurf vorgesehenen Masse, die einen Flow-Zustand verursachen. Es ist essenziel, dass die einzelnen Blöcke beim Zusammennähen exakt aufeinanderpassen und es ist eine Herausforderung, die meine Aufmerksamkeit fesselt und mir erlaubet, mich von den Belastungen des Arbeitsalltags zu distanzieren. Quilts in der Grüssen 120 cm mal 170 cm anzufertigen, bedeutet auch eine körperliche Anstrengung. Hier hilft mir der Gedanke, an den Moment, wenn ich die Decke meiner Pflegemutter überreichen darf.
